Hergisdorf - St. Ägidius

EIN VEREIN REAKTIVIERT VERGESSENE DORFKIRCHE

»Ein Artikel von Dr. Mathias Köhler«

(K)EIN LUTHERDENKMAL?

Der Countdown zum Reformationsjubiläum 2017 läuft. Längst ist entschieden, welche Stätten sich mit der Aura und dem Namen Martin Luthers schmücken dürfen. Hergisdorf im Mansfelder Land, besser bekannt durch sein »Dreckschweinfest«, gehört nicht dazu. Und so erinnert vieles an das Jahr 1967, als sich ein verzweifelter Gemeindekirchenrat im Vorfeld des anstehenden 450. Jubiläums der Reformation in einem leidenschaftlichen, aber letztlich erfolglosen Appell an das Institut für Denkmalpflege in Halle wandte, um Mittel für eine längst überfällige Instandsetzung der Hergisdorfer Kirche einzuwerben. »Auch sie [= die Kirche] stellt ja eine mindestens indirekte Lutherstätte dar«, argumentierte das Gemeindekirchenratsmitglied damals und hatte vollkommen Recht. In der Südvorhalle ist das Reliefbildnis Martin Luthers von 1571 zu sehen (vgl. Abb. 7), und wenigstens seit dieser Zeit führt die Gemeinde den Reformator im Siegel. Evangelische Pfarrer sind seit 1525 belegt. Bestimmender aber noch als »Lutherstätte« ist der Umstand, dass die Hergisdorfer Kirche mit ihrem fast komplett überlieferten, spätmittelalterlirchen Inventar behutsam den liturgischen Bedürfnissen des Glaubens angepasst wurde und somit in einzigartiger Weise nicht den Bruch mit der Tradition, sondern die Neuinterpretation und Weiterentwicklung einer Kirchenraumes und seiner Einrichtung als Kein lutherischer Theologie sinnfällig dokumentiert. (Abb. 1.) Auch das Jubiläum 2017 verschließt sich dieser gerade für Mitteldeutschland so bezeichnenden und augenfälligen Besonderheit, doch wendete sich in Hergisdorf die Konstellation anders als 1967 zum Besseren. Ein Förderverein hat sich mittlerweile konstituiert und seine Mitglieder versuchen sowohl durch vielfältige praktische Arbeit (Aufräumen, Reinigen, Grünschnitt) als auch gezielte öffentlichkeitswirksame Maßnahmen (Veranstaltungen, etwa Konzerte und Ausstellungen) St. Ägidius dem Dornröschenschlaf zu entreißen.

Abb. 1

Die Dorfkirche in Hergisdorf, Lkr. Mansfeld-Südharz. Blick in den Chor mit Retabel, Sakramentshaus und Taufbecken (2014)

 

MANSFELDER SPÄTGOTIK – DER BAU UND SEINE AUSSTATTUNG

Auf einer künstlich angelegten Terrasse erhebt sich am Hang nordöstlich über der »Bösen Sieben« und den sogenannten Grunddörfern prägend die Hergisdorfer Ägidienkirche (Abb. 2). Ein schmaler Treppenaufgang führt von Südwesten hinauf in das die Kirche umgebende Friedhofsgelände. St. Ägidius ist ein kompakter einheitlicher, wenig gegliederter Bau aus heimischem rotem Sandstein, der in Form von Bruchstein und Kleinquadern Verwendung fand. Ein massiger 

Abb. 2

Kirche von Süden

 

Abb. 3

Inneres nach Westen

 

Abb. 4

Marienaltar (geöffnet)

Westturm mit flachem laternenbekröntem Pyramidendach ist dem saalartigen Kirchenschiff vorgelagert, das im Osten ohne Zäsur in ein dreiseitig schließendes Altarhaus übergeht. Dreiteilige Spitzbogenfenster mit flauem Fischblasenmaßwerk setzen neben dem umlaufenden Sockelgesims die einzigen Akzente. Unterbrochen wird letzteres auf der Südseite durch eine rechteckige kreuzrippenüberwölbte offene Vorhalle mit profiliertem Spitzbogen. Diesem als Hauptportal gedachten Zugang entspricht auf der Nordseite eine einfacher gestaltete Pforte. Alle Werksteinteile (Tür- und Portalgewände, Maßwerke etc.) zeigen die für die Zeit charakteristische steinmetztechnische Akkuratesse. Das Mauerwerk stellt sich steinsichtig dar (nur verfugt) und beeindruckt durch seinen dunklen warmen Farbton. Datierungen am Turm (1472) und über dem Südeingang (1512) liefern die Eckdaten der Baugeschichte.

 

Das Kircheninnere präsentiert sich als weiter flachgedeckter Saal mit hufeisenförmig angeordneter Emporenanlage, auf der West- und Nordseite doppelgeschossig ausgeführt (Abb. 3). Interessanterweise fehlt ein Chorbogen, 

 

so dass Schiff und Altarraum fließend ineinander übergehen. Am Vorabend der Reformation ist diese architektonische »Aufhebung« teilräumlicher Strukturen besonders bemerkenswert und kam nach Übergang zur lutherischen Lehre der Idee vom »Priestertum aller Gläubigen« besonders entgegen. Nur durch Stufen wird der Chorbereich vom Schiff abgesetzt. Ist die Architektur handwerklich gediegen, aber eher zurückhaltend, so bietet sie doch einer ungewöhnlich reichen und in dieser Form selten gewordenen Ausstattung Raum. Zielpunkt ist das Marienretabelauf der Mensa im Chor (Abb. 4). In seinem Schrein haben die Figuren der Gottesmutter zwischen Katharina und Barbara ihren Platz. Als Hochreliefs begegnen auf den Flügeln links die Hll. Georg und Sebastian, rechts Martin und ein unbekannter männlicher Heiliger (Mauritius?). Die Predella ziert ein Relief mit dem Geschehen im Stall von Bethlehem, begleitet von Statuetten des Hl. Nikolaus und eines unbekannten Bischofs mit Kirchenmodell (Wolfgang?). Die Außenseiten der Flügel (Abb. 1) zeigen in Malerei links die heiligen Diakone Laurentius und Cyriakus, rechts Stephanus und einen Bischof mit Kelch (Eligius?). Von besonderer Qualität sind die in Grisailletechnik auf den oben kielbogenförmig geschweiften Standflügeln flott gemalten Heiligendarstellungen, links Apollonia und Barbara, rechts Ursula und Margaretha. Da eine Darstellung des Kirchenheiligen Ägidius fehlt, dürfte das Retabel erst nach der Reformation an seinen gegenwärtigen Ort gelangt sein, wahrscheinlich aus einer Eisleber Kirche.

In Eisleben selbst dürfte auch die Werkstatt des recht qualitätvollen Werkes liegen, dessen malerische Teile, besonders die Grisailletafeln, eine Verwandtschaft mit der Lutherkanzel von St. Andreas erkennen lassen. Auch die Weihnachtsdarstellung in der Predella verbindet den Hergisdorfer Altar mit Eisleben, vergleichbar etwa mit dem Altar in der dortigen Petrikirche. Mit diesem Altar stimmt auch die Form der oberen Abschlüsse der Standflügel überein. 

 

Um 1510/20 entstanden, fügt sich der Flügelschrein hervorragend ein in das übrige spätmittelalterliche Interieur. Heute dem Schrein aufgesetzt, ehedem jedoch sicher frei im Raum hängend, präsentiert sich der eindrucksvolle, beinahe lebensgroße Kruzifixus (Abb. 4). Typisch für seine Entstehung im frühen 16. Jahrhundert sind die fast waagerecht ausgebreiteten Arme und das wirr strudelnde Lendentuch.

 

Abb. 5

Kanzel mit Datierung 1515

Abb. 6

Verzierte Wangen des Laien gestühls aus dem beginnenden 16. Jahrhundert in Sekundär verwendung an den Kirchenbänken (2014)

Auf der Evangelienseite des Chorraumes hat das zierliche Sakramentshäuschen mit gedrehter Säule und reicher Kielbogenbekrönung seinen Platz (Abb. 1). Auf 1515 datiert ist die auf einer Konsole an der Südwand fußende Sandsteinkanzel mit Blendmaßwerk und gedrehten Ecksäulchen (Abb. 5). Das sechseckige Taufbecken wiederholt das Motiv des gewundenen Schaftes am Fuß, der die Cuppa trägt. Astwerk und Wappenschildchen an den Ecken bereichern die außergewöhnlich feine Steinmetzarbeit. Die dort abgebildeten Buchstaben ergeben, fortlaufend gelesen, das Wort »IHESUS«. Eine kostbare Holzschnitz- und Kunstschreinerarbeit verkörpert das angeblich aus der Werkstatt von Gabriel Tuntzel aus Halle stammende Chorgestühl, 1513 (oder 1518, je nach Lesart) datiert. Rankenwerk und Schriftbänder, dazu gedrehte Säulchen zieren das Dorsale. Reste eines gleichzeitigen Laiengestühls haben sich in Zweitverwendung in den Bänken des Kirchenschiffs erhalten (Abb. 6). Auch beträchtliche Teile der Emporenkonstruktion mit ihren gedrehten Säulen und Schwellen mit Schiffskehlenprofilen scheinen noch der Spätgotik anzugehören (Abb. 3). 

Spätgotisch sind ebenfalls die Türbeschläge. 1571 erhielt die Südvorhalle das einst bemalte Relief Martin Luthers (Abb. 7) mit der Inschrift »S DER GEMEINE ZV HERGSSTORF« (Siegel der Gemeinde Hergisdorf). Als Begräbnisplatz fand die Kirche im 17. und 18. Jahrhundert Verwendung. Davon zeugen nicht nur das Gruftgewölbe im Erdgeschoss des Westturms, sondern die vor allem bergbaugeschichtlich und wegen ihrer Inschriften bedeutenden Grabsteine der Familie Trübel im Altarraum. Abgesehen von der unter Verwendung älterer Teile (1791) 1824/29 von Gottlob Voigt aus Polleben neu gebauten Orgel, blieb das Inventar seitdem unverändert. Der Verbleib einer barocken, in den Schriftquellen 

 

erwähnten Pfarrertafel bliebe zu klären. Durch Umgüsse im 19. Jahrhundert verloren gegangen sind bedauerlicherweise die drei spätgotischen Glocken. Ihre Inschriften blieben jedoch überliefert. Die im zweiten Weltkrieg wiederum verschwundenen Bronzeglocken wurden 1956 durch solche aus (zu schwerem) Eisenhartguss ersetzt. Wie nur selten vermag die Hergisdorfer Kirche nicht nur allein durch ihre Kunstwerke, sondern auch durch ihre fast greif- und fühlbare Unberührtheit der Gesamtsituation zu überzeugen. 

 

 

NIEDERGANG UND NEUANFANG

Die Barockzeit hatte nur wenige Spuren hinterlassen. Zu prüfen wäre, ob der Fußboden mit seinem originellen Wechsel aus Ziegel- und Gipsestrichsegmenten in diesen Jahren eingebaut wurde. Möglicherweise quellenkundlich zu belegen ist auch die Translozierung des Altarschreins nach Hergisdorf, wurden doch gerade im 17. und 18. Jahrhundert überzählige, dazu unmoderne Kunstwerke an arme Dorfkirchen abgetreten. Der Orgelbau 1791 setzt die obere Empore voraus, und so passt es auch stilistisch recht gut, den Umbau bzw. die Erneuerung der Emporenanlage in diese Zeitspanne einzuordnen. Eine erste einschneidende Maßnahme scheint in den 1850er Jahren erfolgt zu sein, spricht der Provinzialkonservator doch bei einer Begehung 1906 von »verunstaltend umgebaut«. Wahrscheinlich wurde damals die Deckenkonstruktion in ihr heutiges Erscheinungsbild gebracht. Auch der Flügelaltar muss zu diesem Zeitpunkt erstmals mit Ölfarbe überstrichen worden sein. Wahrscheinlich erhielt er damals auch die plumpen stumpfgiebeligen Aufsätze, die am Kanzelschalldeckel wiederkehren. Grund für den Besuch des Provinzialkonservators im Kreise des Regierungs- und Geheimen Baurats Beisner sowie des Regierungsbaurats Riechelmann war ein Schreiben Pfarrer Heynes vom 25. Mai 1905, dessen Wortlaut auch heute noch uneingeschränkte Gültigkeit besitzt: »Es ist ein ursprünglich schöner spätgotischer Bau, der unaufhaltsam dem Verfall entgegen gehen wird, wenn nichts für ihn geschieht […] Kirchenvermögen ist nicht vorhanden, und es ist daher viel unterlassen und gesündigt worden.« Die Kommission, die 1906 die Kirche eingehend besichtigt, stellt fest, dass die Fenstermaßwerke stark verwittert sind und der Flügelaltar große Schäden aufweist. Besonderes Interesse ruft das Lutherbildnis hervor, das durch Bildhauer Keiling in Gips abgeformt werden soll. Ein Kostenvoranschlag zur Renovierung geht am 19.06.1909 an die königliche Regierung, doch erst ein Jahr später vermeldet der Kreisbauinspektor die Genehmigung, deren Umsetzung 1911 in die Wege geleitet wird. Wie aus der denkmalpflegerischen Praxis von heute wohlbekannt, war der Kirchengemeinde vor allem »das dem Raumeindruck nicht vorteilhafte Kastengestühl« ein Dorn im Auge. Die hallesche Denkmalpflege stimmte dem Ansinnen einer Entfernung schließlich mit der Auflage zu, den »Pfarrstuhl«, »das Kastengestühl am Eingang und einen Teil unter der Nordempore« zu erhalten und außerdem die »Flachschnitzfüllungen« an geeigneter Stelle wieder einzubauen. Dies wurde allerdings nur zum Teil so umgesetzt.

 

Abb. 8

Marienretabel, die Skulpturen der Hl. Katharina (links) und Hl. Maria (rechts) nach Freilegung der Originalfassung

Unwiederbringlich ging dabei das einzige in Mitteldeutschland erhaltene, spätgotische Laiengestühl (vgl. ähnliche, noch erhaltene Arbeiten in Franken und Rheinhessen) verloren, nicht nur kunstgeschichtlich, sondern auch liturgie und kulturhistorisch eine herbe Einbuße. Bescheidene Mittel ließen die hochgesteckten Ziele einer umfassenden Instandsetzung auch des Inventars bald erlahmen. So wurde die bei Kunstmaler Kutschmann, Berlin, angefragte Altarrestaurierung zurückgestellt. Die gewünschte »einfarbige weisse Bleiverglasung« besorgte noch 1911 Richard Scheibe aus Halle. Als am 30. März 1912 der Provinzialkonservator Hergisdorf besucht, ist sein Urteil vernichtend: »Die Wirkung des Inneren ist überaus dürftig, da die Färbung höchst ungeschickt durchgeführt ist. Alles flau und trüb in der Farbe, das Ornamentale […] übel.« 1939 eingereichte Pläne für eine Heizung mit zwei Öfen lehnt das Amt in Halle als »eine wesentliche Veränderung des Innenraumes der wertvollen Kirche« ab. Mit Pfarrer Recknagel hält in den 1940er Jahren ein recht »tatkräftiger« Geistlicher Einzug in Hergisdorf, der gern selbst Hand anlegt.

Ohne jede Genehmigung überstreicht er den Flügelaltar dick mit Öl- und Bronzefarbe (heutiger Zustand), auch Schleierwerk und Goldgründe werden nicht verschont. 1963 erfährt das Kirchendach gegen das Votum des für Biberschwänze plädierenden Kirchlichen Bauamtes auf Wunsch des Pfarrers eine Eindeckung mit »Zementziegeln der Firma Fleischmann, Wansleben«. Vorausgegangen war eine englische Schieferdeckung. Dem Bericht des Bauamtes zu entnehmen ist ein starker Befall des Dielenbodens im Chor durch Echten Hausschwamm. Nach dessen Bekämpfung soll der Fußboden dem Ziegel-Estrich-Boden im Schiff angeglichen werden. Vorgeschlagen wird des Weiteren, die Wände mit einem Anstrich aus Weißkalk mit weißem Sand zu versehen, die Maßwerke in Naturstein zu erneuern, den Altarblock freizulegen und die Holzbalkendecke im Naturton zu lasieren. All dies bleibt unausgeführt, weswegen sich 1965 die Kirchengemeinde an das Institut nach Halle wendet und um Mithilfe bei der Erneuerung des Innenraumes bittet. Restaurator Erhard Naumann entwickelt darauf eine Zielstellung, die u. a. eine »Befreiung« der gotischen Emporen von späteren Erweiterungen vorsieht, eine Wiederherstellung des Chorgestühls unter der Prämisse »gewisser rekonstruierender Veränderungen« beinhaltet und sich ausführlich der denkmalpflegerisch-restauratorischen Behandlung der Wandflächen verschreibt. Das anstehende Reformationsjubiläum 1967 beflügelt die Gemeinde nochmals zu Eingaben; fehlende Mittel erlauben jedoch keinerlei Maßnahmen. Allmählich scheint sich Resignation breit gemacht zu haben. Noch 1976 erfolgte eine gründliche restauratorische Untersuchung des Flügelaltars. Dabei konnte eine Teilfreilegung der Tafelmalerei auf den Standflügeln durchgeführt werden, ebenso eine Anobienbekämpfung. Die Gemälde auf den Außenseiten der beweglichen Flügel erfuhren eine Sicherung.

Dabei konnte eine Teilfreilegung der Tafelmalerei auf den Standflügeln durchgeführt werden, ebenso eine Anobienbekämpfung. Die Gemälde auf den Außenseiten der beweglichen Flügel erfuhren eine Sicherung. Festgestellt wurde auch die größtenteils erhaltene Originalfassung der Schreinfiguren unter dem mehrlagigen Ölfarbenanstrich. 1978 jedoch werden die Gottesdienste eingestellt. Die Kirche wird zugesperrt und verfällt schnell. Ungehindert dringt Wasser durch das längst wieder undicht gewordene Dach. Nässeschäden und Schwamm befall sind die Folgen. Im Holz der Bänke und Emporen tut sich »Anobium punctatum« gütlich. Die Fenster werden eingeworfen, so dass Vögel in die Kirche fliegen und Kotspuren auf dem Altar hinterlassen. Dessen linker Standflügel droht aus der Verankerung zu fallen. Vandalismus bricht sich am Äußeren und auf dem Kirchhof Bahn. Wie in der Geschichte von Dornröschen beginnt die Kirche von allen Seiten zuzuwachsen. Sie verschwindet nicht nur optisch, sondern auch aus dem Gedächtnis der winzig klein gewordenen Kirchengemeinde, die ja den Raum ohnehin nicht mehr benötigt, und aus dem der Kunstfreunde und letztlich der Denkmalpflege. Noch einmal wird St. Ägidius kurz wach geküsst, nämlich als mit Mitteln der Deutschen Stiftung Denkmalschutz die Dächer mit Tonziegeln neu gedeckt werden und der Schwammbefall eingedämmt werden kann, freilich unter Verlust eines Teils des spätgotischen Chorgestühls. Der Verfasser schrieb 2003 einen Vermerk, der allmählich ein Umdenken in Gang setzte.

Noch einmal wird St. Ägidius kurz wach geküsst, nämlich als mit Mitteln der Deutschen Stiftung Denkmalschutz die Dächer mit Tonziegeln neu gedeckt werden und der Schwammbefall eingedämmt werden kann, freilich unter Verlust eines Teils des spätgotischen Chorgestühls. Der Verfasser schrieb 2003 einen Vermerk, der allmählich ein Umdenken in Gang setzte. Mit dem Geschäftsmann und aktiven Gemeindemitglied Frank Wrba wurde der »Freundeskreis St. Ägidiuskirche Hergisdorf« ins Leben gerufen. Zwei überaus erfolgreiche Konzerte in der einzigartigen Atmosphäre dieses spätgotischen Kirchenraumes bildeten 2013 den Auftakt zu einer Reihe vielfältiger Aktivitäten. Begonnen werden konnte auch mit der schon in den 1960er Jahren als so dringlich angesehenen »Entrestaurierung« des Flügelaltars. Grundlage bildete eine 2013 erstellte, ausführliche Zustandsdokumentation. Katrin Brinz und Gabriele Georgi aus Halle begannen im Sommer 2014 mit einer Freilegung der erstaunlich gut erhaltenen Originalfassung an den Schreinskulpturen der Muttergottes und der Hl. Katharina (Abb. 8). Ihre ungewöhnliche Qualität kommt einer Neuentdeckung gleich, sowohl was die schnitzerische Feinheit als auch die Fassung selbst anbelangt. Am 21. Dezember 2014 konnten beide Statuen erstmals einer interessierten Öffentlichkeit präsentiert werden.

Das vorzügliche Ergebnis lässt hoffen, dass die finanziellen Mittel in Bälde weitere diesbezügliche Maßnahmen zulassen. Ungeklärt bleibt aber weiter der Umgang mit der baulichen Hülle. Hier wären ausführliche statisch-konstruktive und restauratorische Untersuchungen die Voraussetzung für jedwede weitere Planung. Bauforschung und Dokumentation müssten sich anschließen und könnten Fragen zu Vorgängerkirchen und Baugeschichte klären. Ein schlüssiges Nutzungskonzept ist bereits vorhanden, dazu soll auch die Instandsetzung der wertvollen Orgel beitragen, damit die Kirche dann wieder Austragungsort von Orgelkonzerten sein kann. Auch die Gesamtkirchengemeinde Helbra, zu der Hergisdorf zählt, sollte dabei in die Pflicht genommen werden. Um Instandsetzungsmittel und Gelder für Gutachten zu beantragen, muss St. Ägidius in der Öffentlichkeit freilich noch viel bekannter werden. Ein Anfang ist dank des rührigen Vereins jedoch gemacht und die »indirekte Lutherstätte«, authentischer als manche »direkte«, wird sich im Umfeld Eislebens ihren Platz sichern, auch ohne offizielle Adelung durch das Reformationsjubiläum 2017.

 

 

QUELLEN UND LITERATUR

Archiv LDA, Altakten Hergisdorf (1905–1976) Brülls, Holger: Hergisdorf, ev. Kirche. Orgel, Gutachten vom 12.11.2003 (Archiv LDA). Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt II, Regierungsbezirke Dessau und Halle, München/Berlin 1999, S. 321. Größler, Hermann/Brinkmann, Adolf: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, XVIII. Heft: Der Mansfelder Gebirgskreis, Halle 1893, S. 67–72. Hönig, Silke: Hergisdorf. Ev. Kirche St. Ägidius. Spätgotischer Marienaltar, Restauratorische Dokumentation, Juni 2013 (Archiv LDA). Informationen und Flyer des »Freundeskreises der St. Ägidiuskirche Hergisdorf«, 2015. Köhler, Mathias: Zur Bedeutung und Würdigung der ev. Kirche St. Ägidius in Hergisdorf (Lkr. Mansfelder Land), Gutachten vom 29.08.2003 (Archiv LDA). Für freundliche Unterstützungwird außerdem Frau Dr. Karoline Danz, LDA, und Frau Katrin Brinz, Halle, gedankt.

ABBILDUNGEN

LDA: 1–6 (Reinhard Ulbrich), 7,
8 (Gunar Preuß)

 

 

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